Meine Reise nach Tshumbe – Ein Ort an dem die Welt so ganz anders ist, und doch gleich
29. Juli 2015, 05:30h. Zwischen einem Haufen Gepäck, das vor den Check-in-Schaltern am Münchner Flughafen stand, entdeckte ich Magdalena Danzl, die mit mir zusammen für einen Monat nach Tshumbe reiste. Wir kannten uns noch nicht, da ich, Jil Streber, im Gegensatz zu den anderen aus Luxemburg stamme. Manuela lernte ich durch mein Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien kennen.
Nach einem etwas längeren Check-in, aufgrund größerer Gepäckabgaben, ging die lang ersehnte Reise dann endlich los. Glücklich, gespannt und aufgeregt stiegen wir ins Flugzeug nach Istanbul. Die letzten Haribos wurden noch in Istanbul gekauft bevor es dann weiter ging nach Kinshasa, wo Manuela und Hans auf uns warteten. Das Klima, der Verkehr und der Lärmpegel in Kinshasa waren sehr gewöhnungsbedürftig, zudem ging uns einmal der Sprit aus und das Auto musste bis zur nächsten Tankstelle geschoben werden. Bereits am darauffolgenden Tag sollte die Reise dann weiter nach Lodja gehen, doch dies schien der lokalen Fluggesellschaft dann doch nicht so ganz zuzusagen und so startete unser kleines tschechisches Flugzeug erst einen Tag später als geplant. In Lodja ging es früh morgens über eine Straße, die dieser Bezeichnung nur sehr bedingt gerecht werden konnte, weiter nach Tshumbe. Im Gegensatz zur Rückfahrt, wo wir zu 14 erwachsenen Personen inklusive Gepäck im Toyota Landcruiser die 4 stündige Fahrt über uns ergehen lassen mussten, war es bei der Hinfahrt zu fünft im Auto noch wesentlich gemütlicher.
Ein wahnsinniger Empfang wurde uns in Tshumbe geboten. Bereits drei Personen umarmten und begrüßten mich noch während ich im Wagen saß. An dem herzlichen Empfang konnte man bereits die Freundlichkeit, Großzügigkeit und Dankbarkeit dieser Menschen ablesen. Es wurde getanzt, gesungen und gefeiert und anschließend gab es die erste köstlich-exotische kongolesische Mahlzeit.
Im kommenden Monat führten Magdalena und ich Weiterbildungen mit dem Lehrpersonal durch, durchliefen Vorstellungsgespräche und erledigten vor allem das Einkaufen und Verteilen der Patengeschenke an über 90 Kinder. Die wahnsinnige Arbeit welche mit diesen Tätigkeiten einhergeht, kann man sich, unter lokalen Gegebenheiten, im Vorfeld nur schwer vorstellen. Bei der Weiterbildung musste ich leider feststellen, dass die Menschen aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden schulischen Ausbildung noch weniger Allgemeinkenntnisse hatten als erwartet. Doch die Lernbereitschaft sowie die Motivation bei allen waren sehr groß und das gesamte Personal nahm äußerst motiviert an unseren Weiterbildungen teil.
Auch die Einkäufe auf dem Markt nahmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch als gedacht. Zunächst einmal gilt es die gewünschten Waren im Getümmel des Marktes aufzutreiben, anschließend folgen ausgiebige Preisverhandlungen. Da oftmals nicht genug Ware vorhanden ist, muss man meist mehrmals zurückkehren. Fürs Austeilen der Geschenke besuchten wir jedes einzelne Kind zuhause. Das Vorlesen der Patenbriefe nahm viel Zeit in Anspruch, da viele uns geläufige Gegenstände/Situationen den Kindern unbekannt sind und diese daher bildlich beschrieben werden müssen, wie zum Beispiel Schnee. Dies stellt oftmals auch eine Herausforderung dar, da die Kinder oft so wenig kennen, dass es schwer ist ihnen Vergleiche zu bieten. Doch waren es besonders die Besichtigungen der Häuser welche mich noch jetzt zum Nachdenken bringen. Es handelte sich um Lehmhütten aus 1-3 Räumen, ohne Licht, mit zu wenigen Betten, ohne Badezimmer, ohne Schränke, ohne Elektrizität, ohne Fenster, mit oft undichten Dächern, ohne herumliegendes Spielzeug,… Oft schlafen 4 Menschen auf einer Palmmatte, welche nicht selten auf dem Boden liegt. Gegessen wird in der Regel nur einmal am Tag, wobei die Ernährung nicht sehr abwechslungsreich ist. Das Wasser, das täglich mühevoll von der Quelle hoch geschleppt werden muss, besitzt keine Trinkwasserqualität und viele wissen nicht, dass man es abkochen kann und sollte.
In Tshumbe bin ich sehr vielen kranken, behinderten und hungrigen Menschen begegnet. Fast täglich stirbt in der Nachbarschaft jemand, nicht selten an, für uns, ganz banalen Krankheiten, wie beispielsweise an Karies. Gleichzeitig habe ich in Tshumbe jedoch auch die glücklichsten, dankbarsten und warmherzigsten Menschen getroffen, die mir so viel an Freude, Wissen und Liebe geschenkt haben.
Durch die von Manuela aufgebaute Krankenstation können bereits sehr viele Menschen eine gute medizinische Versorgung bekommen. Unzähligen Kindern hat sie damit schon das Leben gerettet. Leider stellt jedoch besonders die Malariamücke sie immer wieder vor große Herausforderungen. Auch was die Bildung betrifft merkt man schnell welche Kinder im Dorf die Chance haben ihre Schule (Waale Waana) zu besuchen, da sie besonders auch im Französischen bereits sehr gute Kenntnisse besitzen.
In Tshumbe hört die Arbeit nie auf, ob Mittwoch oder Sonntag, ob 12 Uhr Mittags oder 11 Uhr Abends. Man ist immer so beschäftigt, dass man gar nicht wirklich zum Nachdenken kommt, doch bei der Ankunft zu Hause und beim Zeigen der Fotos wird einem sehr schnell bewusst wie arm diese Menschen wirklich sind. Ich bin froh zu wissen, dass Manuela sie weiterhin so gut unterstützen wird und unter anderem mit meiner Patenschaft möchte ich ihr auch weiterhin dabei helfen. So habe ich persönlich viele Errungenschaften der Moderne noch mehr wertzuschätzen gelernt, wie beispielsweise sauberes Leitungswasser, wetterspezifische Kleidung, Strom und besonders auch die bei uns erhältliche Nahrungsmittelvielfalt und vieles vieles mehr. So war diese Reise für mich die bisher schönste und zugleich schrecklichste meines Lebens, da mir einerseits die lächelnden Kinder und die lebenslustigen Menschen das Herz öffneten, ich mir andererseits jedoch deren Leid und Armut ansehen musste, gegen welches ich leider nur begrenzt ankämpfen konnte.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal besonders Manuela Erber danken sowie dem gesamten Verein „Zukunft für Tshumbe“ und allen Menschen in Tshumbe, von denen der Abschied uns allen so schwer gefallen ist.
Losaka losaka losaka!
Jil