Augen auf- Moskitonetz über mir, ein wenig Licht fällt ins Zimmer, ich sehe mich kurz um- Lehmwände. ‚Sie kommen schon!‘, ruft Manuela
Da fällt mir auch wieder ein, wo ich bin: Tshumbe- Im Herzen der Demokratischen Republik Kongo. Ich höre Getrommel und richte mich auf- spüre leichte Erschöpftheit meines Körpers, was ich auf die vergangene turbulente Tagesreise zurückführe. Verschlafen finde ich den Weg aus der Lehmhütte. Da stehen sie, 4 afrikanische Männer, Trommeln umgehängt. Was sie singen, kann ich nicht verstehen, aber was ich immer wieder höre sind Namen: Maman Manuela, Maman Judith, Papa Kerby. ‚Du musst tanzen‘ sagt Manu und ich vergesse auf die Müdigkeit und tanze drauf los. Welch Empfang! Einige Menschen haben sich bereits vor unserer Hütte versammelt, Kinder und Erwachsene. Sie schauen uns an, schauen uns zu, belächeln unser Getanze.
Für mich haben die Menschen am Anfang alle gleich ausgesehen. Ich hatte Zweifel, sie jemals unterscheiden zu können. Aber es ging schneller als gedacht. Ich lernte alle Mitarbeiter des Kindergartens ‚Waale Waana‘ in Tshumbe nicht nur kennen sondern lernte Sie auch zu mögen. Besonders spannend empfand ich am Anfang die Umgewöhnung, das alltägliche Leben: Das Wasser, dass wir zum Waschen und Kochen brauchten, mussten wir von der Quelle holen- ca. 1 km Fußmarsch, mit einem 10l Kanister in den Händen schaffbar, aber trotzdem harte Arbeit. Jedes Mal, wenn wir etwas kochen wollten, mussten wir Feuer machen- besonders in der Früh war das oft ein schwieriger und vor allem langwieriger Prozess. Um Trinkwasser zu bekommen, hieß es: Feuer machen, Topf aufstellen, Wasser kochen.
In den ersten Tagen begegnete ich auch den Kindern vom Kindergarten – an was ich mich ganz genau erinnere, ist ihre Begrüßung: Jeden Morgen kamen sie, stellten sich vor mich, verschränkten ihre Arme, verbeugten sich und sagten: Bonjour, Maman Judith! Das war für mich ein unglaublich schönes Gefühl. Ein Highlight war für sie auch immer wieder die Gitarre- viele von Ihnen sahen dieses Instrument zum ersten Mal. Gemeinsam erlernten wir ein paar Lieder, die die ganze Zeit über ein großer Hit waren. Allgemein war ich immer wieder sehr gefordert im Bereich Energie. Ständig kamen Menschen; Frauen mit ihren kranken Kindern, Jugendliche, die Englisch lernen wollten, Jungs, die von unserem ‚richtigen‘ Fußball gehört hatten…. wir waren kaum allein auf unserem Kindergartenareal. Trotzdem versuchte ich immer wieder, gut gelaunt zu sein und Freude zu verbreiten- so kam ich auch zu meinem Namen, den mir unser Wächter Papa Augustin gab: Mama Ongenongeno. In ihrer Sprache ‚Otetela‘ bedeutet dies so viel wie ‚Mutter der Freude‘. Dieser Name machte mich besonders stolz und half mir auch, nie die Freude zu verlieren. Manuela war in solchen Situationen immer wieder mein Vorbild.
Geduld beweisen hieß es immer wieder beim Gitarrenunterricht, den ich für die Kindergärtnerinnen von Tshumbe gab: Wenn Menschen nie die Möglichkeit haben, etwas zu lernen oder zu erlernen, brauchen sie bei gewissen Lernprozessen einfach länger- was für uns also als kleiner Erfolg gilt, empfand ich in Tshumbe als riesengroßen Schritt. Schlimm war für mich, immer wieder die Verletzungen und Verbrennungen der Kinder zu sehen. Auch als wir die Lehmhütten der Familien besuchten und ich sah, wie die Menschen in diesem afrikanischen Dorf leben, empfand ich oft großes Mitleid: Abgebröckelte Lehmhütten, als Bett häufig nur eine Lianenmatte am Boden, die sich vielleicht 2, 3 oder sogar 4 Kinder teilen. Essen gab es für viele nur einmal am Tag, meistens Reis.
Erst als ich wieder heimkam, fiel mir auf, wie wenig Zeit zum Nachdenken ich in Tshumbe eigentlich hatte. Wir waren doch irgendwie in einer ähnlichen Situation, wie die Menschen dort, auch wenn es uns um Vieles besser ging, allein die Schlaf- und Essenssituation betreffend. Dadurch, dass ständig viel los war, waren wir einfach immer bemüht, zu helfen, zu geben, zu erzählen, zu tun, zu reden…Zu Hause angekommen, war ich oft traurig und musste viel weinen. Besonderes ein reichlich gedeckter Tisch ließ mich oft nachdenklich werden- Warum herrscht nur so eine Ungerechtigkeit auf der Welt, fragte ich mich immer. Warum haben wir so viel, und warum haben Sie so wenig?? Aber so ist es leider- es ist eine andere Wirklichkeit und trotzdem dieselbe Welt.
Wenn ich nun zurückschaue, bin ich sehr stolz. Stolz, auf meine Arbeit die ich in Tshumbe geleistet habe, stolz, auf alles was ich dort hinterlassen habe. Stolz auch auf Manuela und ihre Organisation, und vor allem empfinde ich ihr gegenüber große Dankbarkeit- ohne Sie hätte ich diese intensive und prägende Zeit nicht erlebt.
Zumindest mit meiner Patenschaft, die ich nun übernommen habe, habe ich das Gefühl wenigstens ein bisschen helfen zu können. Ich hatte sogar die Möglichkeit, mein Patenkind persönlich kennen zu lernen, zu halten und Zeit mit ihm zu verbringen.
Danke an Manuela und Danke an Zukunft für Tshumbe für diese unvergesslichen Momente!
Bericht von Judith Wieland, Volontärin bei Zukunft für Tshumbe
(Zeitraum: Mitte April – Ende Juli 2014)